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Fahrberichte

Lamborghini Espada 400 GT: Stier für Vier

Der Espada ist neben dem Countach das erfolgreichste klassische Modell von Lamborghini. Noch heute fasziniert es durch seine kühle Eleganz.

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Man kommt sich vor, als säße man in einer bequemen Strandliege auf einem fliegenden Teppich, der knapp über dem Boden unter Alleebäumen hindurchhuscht. So fährt sich dieser herrliche Wagen über Land von Meine nach Wolfsburg. Allerdings bläst einem dabei kein Fahrtwind ins Gesicht, denn der Lamborghini Espada ist ein viersitziges Coupé, das von einem 350 PS starken, vier Liter großen V12-Motor angetrieben wird. Man hört die beiden Zündverteiler, vier obenliegende Nockenwellen und 24 Ventile sogar recht vernehmlich arbeiten.

 

 Es ist ein kerniges Sirren und Knurren, begleitet von einem seidigen, vibrationsarmen Motorlauf. Mit zunehmender Drehzahl verändert sich die Tonhöhe in einem unaufdringlichen Glissando nach oben, ohne dass die Maschine viel lauter wird. Der Auspuff hält sich dabei mit Blechblasgeräuschen diskret zurück, was sich von den modernen Lamborghini- Modellen nicht behaupten lässt.

 Untypisch: Ein Sportwagen mit guter Rundumsicht  

Der Fliegende-Teppich-Effekt des Espada ist das Ergebnis einer für Sportcoupés recht komfortablen Fahrwerksabstimmung und der auch heute noch futuristisch anmutenden Bertone-Karosserie. Ganz im Stil der späten sechziger Jahre zeigt das schlicht und geradlinig gezeichnete Coupé extrem große Fensterflächen: Dünne A- und B-Säulen, eine niedrige Gürtellinie und weit in das Dach hineinreichende Fensterausschnitte widersprechen rigoros dem heutigen Trend zu rundlichen, wenig transparenten Dachformen. Sogar die obere Hälfte des wie mit dem Messer abgeschnittenen Fastback- Hecks besteht aus Glas.

 

Der Pilot blickt deshalb in alle Richtungen fast ungehindert ins Freie – wie auf einem fliegenden Teppich. Vor ihm liegt ein niedriges, mit acht runden Uhren reich bestücktes Instrumentenbrett. Sogar ein Teil der Motorhaube ist trotz der flachen Sitzposition von oben einsehbar.

 Die legere Strandliegenhaltung hinter dem Volant entspricht jedoch nicht ganz dem Sinn des Erfinders. Ein 1,80-Meter- Mann, der im bequemen Fahrersitz Platz genommen hat, schrappt nämlich mit den Haarspitzen am Dachhimmel und mit den Knien am tief platzierten Lenkrad, das zudem die Tachometer-Skala im 100-km/h- Bereich verdeckt. Man rutscht daher besser einige Zentimeter auf dem Ledersitz nach unten – und der Espada passt.

 Beifahrer und Lambo-Besitzer Wilfried Bockelmann macht es genauso, wenn er fährt, und nennt auch den Grund dafür: „Firmenchef Ferrucio Lamborghini, der seine Autos stets selbst getestet hat, war nicht besonders groß. Wenn alles in Ordnung war und er richtig sitzen konnte, befand er das Modell für serienreif. Aber jetzt geben Sie mal ordentlich Gas.“

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Der Espada: Ein Geräumiger und bequemer GT

 Wie gewünscht drückt der Fuß das Pedal nach unten. Während der Lambo zügig an Tempo zulegt, scheint der Pedalweg kein Ende zu nehmen. „Die sechs Doppelvergaser und die dadurch entstehenden Rückstellkräfte sind die Ursache für den langen Pedalweg. Damals gab es noch kein Drive by Wire“, freut sich Bockelmann über diese Eigenart. Gleiches gilt für das präzise arbeitende Fünfganggetriebe, das dem Fahrer trotz des kurzen Schaftes Bewegungen fast wie beim Armdrücken abringt.

 lamborghini-espada-4Auf dem Weg zur Autostadt in Wolfsburg, die mit ihren Museen und modernen Marken-Pavillons als Fotokulisse dienen soll, erzählt der Espada-Besitzer, wie er zu seinem Wagen kam. Es ist übrigens nicht der erste Klassiker des ehemaligen Entwicklungschef von Skoda und Volkswagen. Zu Bockelmanns Fuhrpark zählen unter anderem ein Skoda Felicia Cabrio von 1963, einer der letztgebauten Austin Healey von 1967, ein roter Käfer Ultima Edition von 2004 aus Mexiko und diverse Motorräder. Was jedoch fehlte, war ein sportlicher Italiener, am besten mit zwölf Zylindern.

 

Dass es ein Lamborghini wurde, ist für den einstigen Volkswagen-Mann fast schon Ehrensache: Seit exakt zehn Jahren bereichern die Sportwagen aus Sant’Agata mit großem Verkaufserfolg das Marken-Portfolio des Volkswagen-Konzerns.

 

Ursprünglich dachte Bockelmann an einen Lamborghini 400 GT, das allererste, zunächst als 350 GT im Jahr 1964 präsentierte Lamborghini-Modell, ebenfalls mit V12-Motor. „Meiner Frau hat aber nach einer Probefahrt in einem 400 GT der Rücken weh getan, sie wollte deshalb das Auto nicht“, berichtet der frühere VW-Vorstand. In einem geräumigen Espada mit seinen bequemen Ledersitzen, die hinten genau gleich ausgeführt sind wie in der ersten Reihe, hätte sich die Gattin dagegen deutlich wohler gefühlt.

 

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